Karwendelmarsch 2011

Karwendelmarsch 2011

Nach dem Marsch 2010 dachte ich, die ultimative „Karwendelmarsch-Abschlußprüfung“ ist mir gelungen, schlimmer kann es nicht mehr kommen. 10 Stunden Dauerregen, naß bis auf die Haut, die Bergschuhe doppelt so schwer als normal, weil mit einer Unmenge Wasser angesoffen, solo unterwegs (könnte ja schlecht für die Psyche sein). Es geht aber noch schlimmer, und das konnte ich mir (vorher zumindest), echt nicht vorstellen.

Noch am Freitag abend sitzen wir im Gastgarten bei tropischen Temperaturen und sind froh um jedes Lüfterl, das weht. Die Wetterverschlechterung inclusive Wintereinbruch und Schneefall bis 1800 mtr wurde mehrfach und deutlich angekündigt. Das Hirn hat zwar verstanden und registriert, aber einfach IGNORIERT. Warum soll der Sommer jetzt vorbei sein? Neeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiinnnnnn!!!! Nein, nein und nocheinmal nein. Ein Übergang von so einer Schönwetterperiode hat gefälligst nicht überfallsartig zu erfolgen. Schluß. Basta!

Also brechen wir gut gelaunt (die Laune blieb auch bis zum Schluß) auf. Adjustierung? Normale Sommerbekleidung, Regenausrüstung halt. Nun gut, im Normalfalle, einige Grade wärmer und weniger Wind, geht`s jedem einzelnen wohl besser. Aber was folgte, war wirklich für harte Kaliber. Von dieser Seite eine Gratulation an alle, die durchmarschierten. Bekanntlich wurde das Ziel ja während des Marsches von Pertisau in die Eng (an das Ziel der „kleinen Variante“) vorverlegt. Am Binssatel (1903 mtr) mehrere Zentimeter Neuschnee, rutschige Wege, eisige Temperaturen und böiger Wind. Und das alles sollte man als „Schlüsselfinale“, durchnäßt bis auf die Knochen, frierend, mit aufgeweichter Haut von der alles durchdringenden Nässe, mit 7 Stunden Marsch in den Beinen, noch in Angriff nehmen? Die Streckenposten haben gut daran getan, abzubrechen und von einem Weitermarsch abzuraten. Und wir selbst auch. Ein Finalist erzählte später was von blau angelaufenen Beinen und hätte seine Entscheidung durchzugehen, wenn er von der Strapaz vorher wußte, auch anders getroffen.

Die Teilnehmer: Michael, Jamie, Hannes und meine Wenigkeit

Der Start in Scharnitz erfolgte (noch) bei guten Verhältnissen, aber bereits mit starkem Wind, was uns gleich zu Beginn „aufrüsten“ ließ. Es schien alles gut zu werden. Bei der Larchetalm viel Trubel aber (noch) Heiterkeit. Richtig zur Sache gings da schon, als die erste Steigung zum Karwendelhaus in Angrif genommen wurde. Unsere triste Lage schildert ohne viel Worte eines der wenigen Bilddokumente:

Der Regen setzte ein und bat seinen Gehilfen, den Wind, um Unterstützung. Diese beiden begannen fortan, uns zu malträtieren. Später, nahmen die sogar weitere Gesellen in ihre Bande auf: Meister Graupel und seinen Bruder Schnee.

So kam es, daß bereits am Karwendelhaus, das wir nach 3,5 Stunden erreichten, erste Ausfälle zu verzeichnen waren. Eine „Blitzbegutachtungskommission“ der Bergrettung musterte alle Teilnehmer auf weitere Tauglichkeit, unter anderem mit einer persönlichen Abfrage: „alls klar Burschen?“. „Freilich!“

Immer noch Gedränge an der Labstation, VIEL ZU WENIG WARMGETRÄNKE, aus meiner Sicht änderungsbedürftig. Aber, da brauchts mutige Leute, die sich einen vorhandenen Plan auch kurzfristig umschmeißen trauen.

Am Abstieg zum kleinen Ahornboden machen Hannes und ich das einzig richtige, leider zu spät, die Regenhose kommt raus aus dem Rucksack und ran an den Mann. Das sollte schon wesentlich früher passieren. Während Hannes seine 3/4 Skinfit anbehält, muß ich sie, triefend und tropfend vor H2O, ausziehen und streife mir die Regenpanier nur über die (kurze) Unterhose. Kurz scheint es angenehmer zu werden. Aber es entwickelt sich keine Wärme, sondern es wird nur verhindert, daß es noch kälter wird. Am kleinen Ahornboden gibt es eine Labstation (im Vorjahr noch bei der Ladizalm). Dort beginnt sich, die Spreu vom Weizen zu trennen und ein paar geben auf. Zitternd vor Kälte. Uns gings noch (halbwegs).

Beim Aufstieg zur Falkenhütte zeigt der Karwendelmarsch erstmals, was er kann. Ein großes Kompliment an unser Team, ALLE marschierten zügig und kräftig dahin, kein Mucks und jammern war zu hören. Jamie sorgte als Dauerquassler für gute Unterhaltung, während uns anderen teils das Zuhören reichte.

Bei der Hütte war die erste Labstation erreicht, an der es nicht mehr so quirlte. Besonders gut fuhr die warme Gerstlsuppe in unsere Körper ein und gab uns frische Energie und Kraft. Auch für die Psyche ist so ein Becher voll heißer Power wichtig gewesen. Unter dauerndem Donnern, Blitzen und Grollen wanderten wir weiter, den Laliderer Wänden entlang, zum Hohljoch (1974 mtr). Dort oben war dann wirklich Schluß mit lustig, die unguten Brüder Graupel und Schnee trafen auf Ihre Gangmitglieder Regen und Wind. Ihr Auftrag war es, uns mürbe zu machen, mürbe und gar. Ich gestehe ein, es ist Ihnen gelungen.

Wir versuchten uns Mut zu machen und redeten uns gut zu, „nur“ die Höhe machts, unten in der Eng wird es schon wieder „warm“ werden, immerhin liegen ca 700 Höhenmeter dazwischen. Pro 100 hm 1 Grad wärmer, dann hat es ja unten schon wieder kuschelige 10 Grad – vielleicht? So ungefähr wirds dann auch gewesen sein. Aber beim letzten, anstrengenden Abstieg machten sich die Knie von Michael bemerkbar und er mußte sein Tempo, ganz unwesentlich, aber doch, zurücknehmen. Deswegen mußten Hannes und ich einige Minuten in der Eng warten, was sofortige Auskühlung zur Folge hatte. Während dem Stehen und Laben trafen wir dann die Entscheidung, abzubrechen. Bibbernd und frierend trafen  der kollegiale Jamie, der Michael unterstützte, und dieser selbst, in der Eng ein. Während wir unseren internen Abbruch mit den beiden vereinbarten verlautbarte der Platzsprecher, daß der Karwendelmarsch abgebrochen ist, beziehungsweise das Ziel vorverlegt wurde in die Eng. Am Binssattel auf 1903 mtr Höhe, liegen mehrere Zentimeter Neuschnee und es ist Winter da oben. Die vier vorher genannten Banditen nehmen ihre Aufgabe am Sattel oben auch sehr ernst.

Im Gasthaus müssen wir uns aufwärmen, umgeben von fröstelnden klammen Wandergesellen. Wir kaufen uns ein Ticket nach Pertisau (€ 15 – da verdient einer mal wenigstens gscheid dran) und werden aufmerksam gemacht, daß wir uns zeitig bei der Einstiegsstelle aufhalten sollen, weil wir sonst vielleicht keinen Platz mehr kriegen.

Diese Aussage veranlaßt UNS und alle anderen, um 13:50 Uhr lauernd draußen bei Eiseskälte und Wind Stellung zu beziehen. Der Bus kommt schließlich um etwa 14:15 Uhr und eine Meute von über 100 Personen stürmt auf ihn zu. Gute Ellbogen waren nun gefragt. Michael und ich waren unnötig genug, um bei den ersten Einsteigern zu sein, was uns einen Sitzplatz bescherte. Jamie und Hannes erwischten wenigstens noch ein Stehplatzerl und konnten mitfahren.

Nach einer knappen Stunde treffen wir in Pertisau ein. Improvisatör Mario und Walli empfingen uns mit aufgeblasenen  rosaroten Winkehänden. Sie sprachen nachher davon, daß wir „nicht gut aussahen“. Marios Bus stand am Straßenrand, mit laufendem Motor und Heisgebläse auf vollen Touren. Rein in den Bus, trockene Klamotten angezogen und gerätselt, ob die zwei Mountainbikemeister Steve und Fuzzy nun kommen oder nicht. Ein Anruf bei Ilona hat alles geklärt, ja, die waren, entgegen unserer Annahme, auch aufgebrochen. Bravo Jungs! Im Gasthaus Klara lassen wir es uns gutgehen und freuen uns über das Eintreffen der beiden Radler, deren Lagerfeuer unüberriechbar war und Pointe des Tages.

Zurück nach Innsbruck gehts in zwei Gruppen, nicht ohne vorher zu beschließen:

Karwendelmarsch 2012 wir kommen – fix !!

p.s.: natürlich gibt es auch diesmal wieder eine – kleine aber feine – und nur für „Genauhinschauer“ – Medienpräsenz 🙂

(links ich selbst, rechts Hannes und vor uns ein unbekannter Leidensgenosse beim Einlauf in der Eng)

Giggi, 28.8.2011

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