Schrankogel, 3.497 mtr

Schrankogel, 3.497 mtr

Freitag. Alles ist und alle sind verrückt. Im Büro brummt es nur so und ein Ereignis überschlägt sich mit dem nächsten. Nach 9 Stunden Irrsinn live bin ich nicht mehr in der Lage, vernünftig zu denken, nur eins weiß ich: ICH MUSS RAUSS !!!!!

Rein zur Oberisshütte, Auto abstellen  und rauf auf die Franz- Senn Hütte. Wenig los. 15 Gäste. Ja, das ist es, was ich suche. Die wenigen Leute auf der Hütte sind allesamt mürrisch, richtig Grüßen kann keiner, Lachen – Fehlanzeige. So kommt es, daß ich mich gar niemandem aufzwänge, sondern um 21.30 Uhr ins Zimmer gehe. Ich hab`es für mich ganz allein (Hüttennächtigungen in Vor- Nachsaison bevorzuge ich absolut). Mein Kopf ist leer und bald schlafe ich ein.

Frühstück gibts um 05:30 Uhr – der Hüttenwirt weiß, daß wir früh los müssen. Den anderen hat er sogar angeboten, daß sie  um 05:00 Uhr schon was kriegen, wenn Bedarf ist. Ja, das ist Kundenbetreuung, wie sie der Bergsteiger braucht. Bravo!  Ich stehe um 05:00 Uhr auf, ganz gemütlich, genieße den Sonnenaufgang und richte mein Zeugs her. Das Morgenmahl besteht aus Honigbrot und Müsli. Ein großer Schopfen Kaffee paßt gut dazu.

Ich möchte zahlen, der Wirt meint: „zahl wenn zrugg kimmsch!“. Auch recht. Und schon bin ich im Schiraum und hole Schuhe und Bretter. Bis zum Höllenrachen heißts tragen, kurz darauf lege ich die Schi an. Bei der Abfahrt werde ich mich dann, wie der Kollege vor mir, ganz rechts halten, da kann man den Schnee noch länger ausnutzen. Die klare Nacht hat für beste Verhältnisse gesorgt, genau so, wie sie sich jeder Frühjahrstourengeher erträumt.

Einzig der frische Talwind macht mir zu schaffen. Aber oben sehe ich schon die ersten Sonnenstrahlen auf den Weg treffen und als ich dort war, wurde es wirklich angenehm. Ich keuche über die Wildgratscharte hinauf, oben packe ich die Latten auf den Rucksack und wuchte mich über die seilversicherte Stelle die paar Meter hinunter auf den Schwarzenbergferner.

Es folgt eine Fellabfahrt soweit es geht rüber Richtung Aufstiegsgrat. Dann quere ich hinauf, bfffh, ziemlich steil alles. Dort, wo diejenigen Schidepot machen, die nicht mit den Latten abfahren, schnalle ich die Dinger abermals auf und beginne den mühsamen Aufstieg dem Grat entlang. Die Sonne ist schon sehr mächtig, dort, wo noch vor Tagen (vermutlich bis zur Öffnungszeit der Ambergerhütte), gute Stapfen waren, ist jetzt nur mehr ein Ansatz davon zu sehen.

Manchmal schwindelt sich auch ein aperes Felsstück dazu. Ich stelle fest, daß der Weg gut zu finden ist und bis auf ein paar wirklich steile Stücke wo es ein bißchen fuxt, weil ich einbreche, komme ich gut voran. Eine Metallstange kommt in Sicht und ich weiß, irgendein Abschnitt (nämlich der steilste), ist bei dieser Stange geschafft. Genauso wars, danach gings auch noch gut zur Sache, aber es folgten nun die Gustostückerln der Tour. Schöne steile und luftige Schneidpassagen, die verwitterte Spur der Vorgänger taugte nun auch wieder was, wenngleich die Konzentration gefordert war.

Irgendwo, einige Minuten unter dem Gipfel, ließ ich die Schi dann stehen. Es folgte eine abdrängende Hangquerung, wo ich sogar den Eispickel zur Hand nahm, weil ich mich nicht mehr ganz wohl fühlte. Bei genug Schnee überklettert man dort, wo ich unten vorbei mußte, wohl einen Felsen. Noch ein letztes mal pfiffig hinauf, dann kam das wörtlich „schneidige“ Finale. So ein schöner Firngrat.

Als ich drüben beim Gipfelkreuz war, überwältigten mich die Gefühle. Ich mußte intensiv an meine Eltern denken und, das erlebte ich bis jetzt auch noch nie, ich mußte vor Freude weinen. Das sind Momente, die man nicht aus der Retorte erzeugen kann. Minutenlang genoß ich das Panorama und die Einsamkeit. Kann das sein, daß an so einem perfekten Tag NIEMAND (außer mir) in dieser Gegend unterwegs ist?

Ich sammle mich wieder und mache mich an den Abstieg. Zuerst lese ich den einzelnen Schistock auf, den ich dort deponiert habe, wo ich ihn mit dem Eispickel tauschte, dann gehts weiter zu den Brettln. Von oben konnte ich einsehen, wo ich hinabtauche. Die direkte Gipfeleinfahrt nahm ich (leider) nicht, weiter unten sollte es ja auch gehn. Hier ein Blick von dort, wo ich gestartet bin (um ehrlich zu sein, ein kleiner Kloß saß mir schon im Hals…..)

Ich schnalle an und quere nach rechts, ein Schwung und noch einer. Der Schnee ist unten hart, darauf liegen etwa 10 cm teils gepresster Pulver. Es war wieder dieser beklemmende Zustand, daß dich bei jedem Schwung ein Haufen „Serggl“ überholt, als wollte er  dir zeigen, daß er schneller unten sein kann als du. Und dann sammelte und kummulierte sich dieser Serggl und ich konnte zuschauen, wie sich in wenigen Sekunden eine stattliche Oberlächenschneeschicht in Bewegung setzte. Ich weiß nicht, ob man von einer Lawine sprechen soll, jedenfalls sind die Schneemassen unten über die Felsen auf den Gletscher geklatscht und die Geräusche dazu ließen mich kurz innehalten, weil mir nicht mehr wohl war. Andererseits konnte ich nun dort, wo der Gammel abging, gefahrloser abdriften, weil der Oberflächenschnee weg war und übrig noch die griffige und feste Partie war, die hielt. Ich machte ein paar Schwünge im 45er Bereich und querte aber dann hinaus und schaute, daß ich vom Hang wegkam.

Bis zur Wildgratscharte zurück war auf dem Gletscher feinster und schneller Firn zu genießen, bis auf wenige Meter konnte ich sogar zur Scharte hingleiten. Schi zum dritten mal auf den Rucksack und die Eisenseile nutzend wieder rauf auf die Scharte. Latten anschnallen. Ich rutsche auf der anderen Seite hinab. Es ist genau so schmal wie die Schi lang sind.

Manchmal streife ich die Felsen und auch hier nehme ich den halben Schnee in der Rinne mit hinunter. Endlich draußen gibts dann, aufgrund der Ostlage, statt Butterfirn Bremsmatsch. Aber weiter unten wird es wieder etwas schneller und ich kann johlend ins Flachstück gleiten.

Die weitere Fahrt zur Hütte halte ich mich ganz rechts und dort ist, leider nicht mehr sehr lange, der beste Firn des Tages zu finden. Bis in den Talboden nutze ich das letzte Schneefleckerl aus und die 10 Minuten Schitragen bis zur Franz Senn Hütte sind, ob des tollen Gipfelerfolges, reine Lust.

Ich zahle die Nächtigung, gieße mir einen gspritzten (Almdudler) hinein und stampfe, nun das vierte und letzte mal die Dinger aufschnallend, zum Parkplatz, wo ich um 14:30 Uhr Richtung Innsbruck aufbreche.

Die heurige Schitourensaison wird wohl ob ihrer Schneearmut in die Geschichte eingehen, ich aber, ich werde sie in Erinnerung behalten als eine Saison, in der sich OFT – VIELES – BESONDERES – machen ließ.

Giggi, 7.5.2011