Mutterberger Seespitze – Nordost Grat, 3305 mtr

Mutterberger Seespitze – Nordost Grat, 3305 mtr

während ich am Freitag abend mit meinen Gedanken schon wieder im Gelände war und mir ausmalte, ob ich am Samstag lieber auf die Brennerspitze oder aufs hintere Brandjoch soll, kommt völlig unerwartet ein Angst-SMS vom lieben Gert. „Du gehst mir morgen ja eh nicht auf die MSS?“ fragte er ängstlich. Doch, war meine prompte Antwort, gemma? Und der Pakt wurde sofort geschlossen. Diesmal machten wir es gscheid, der Schöffi kommt nach Birgitz und hier übernehme ich sein Bike auf meinen Träger und ab ins Ötztal. Klaro, daß man so ein Vorhaben anständig zeitig anstrebt. Um 05:15 fahren wir schon Richtung Westen. Am Parkplatz der Ambergerhütte in Gries staunen wir über die unzähligen Autos, aber nicht nur Gäste sind hier, auch viele Einheimische nutzen den perfekten Bergtag für eine Tour. Wir sind nicht die einzigen Radler, auch einige Schrankogelbesteiger sind dabei. War der doch vor kurzem Tourentip in der TT und dürfte vielleicht auch deshalb ein wahren Besucheransturm ausgelöst haben.

Die Radelei bis zur Hütte war kurzweilig, wir bauen um und gehen ohne große Pause weiter. Bis zur Abzweiung beim großen Stein scheint uns zeitweise die Sonne ins Gesicht und wir können gar nicht richtig genießen, wo wir eigentlich gehen.

Dann tauchen wir in Schatten ein und es beginnt der mühsame Zustieg über ein großes Block-Schuttfeld Richtung Gletscher. Oben könnte man einen kleinen Ewig-Eis-ausläufer queren, machten wir aber nicht, wir gingen unten auf einer teils glatschgeschliffenen Felsglatze vorbei und erreichten so den idealen Steigeisenanlegeplatz direkt am steilen Gletscherbeginn.

Schulmäßig angeseilt hacke ich mich vorgehend die ersten Meter hinauf. Blankeis, aber griffig. Man kommt sich so richtig klein vor, auf diesem riesengroßen Eisfeld.

Oben weiter tut sich ein spannendes Spaltenlabyrinth auf. Mein erster ungestümer Versuch eines Sprungs endet 1,5 mtr tief – ungefährlich – in einer V-förmigen Spalte. Folge: drei Miniverletzungen an den Fingern, die aber sofort mit Pflastern getapet wurden. Ohne Probleme gingen wir weiter, die nächsten zu breiten Spalten wurden aber umgangen, Kleinere übersprungen.

Unser Plan war, die rassige Nordflanke hinauf zu gehen und oben auf den Nordostgrat zu treffen, der von dieser Stelle unschwierig auf den Gipfel führt. Als wir diese in Augenschein nahmen, ließen wir aber unverzüglich davon ab. Blau schimmert das Blankeis herunter und es kommt uns extrasteil vor. Nachgelesen habe ich heute 44°. Also traben wir im flachen Gletscherboden weiter Richtung Nordostgrat und werden diese Entscheidung nicht bereuen. Dort, wo der Hölltalferner nicht weit ist, beginnen wir die – ideale – Gratkletterei (II). Richtig lässig kann man, immer direkt auf und neben der Schneide, vorwärtskommen.

Folglich verflacht es sich kurz und anschließend fällt die Route wieder etwas ab. Hier ist vielleicht, unseres Empfindens nach, die „knusprigste“ Stelle zu überwinden.

Von dort, wo die Nordflanke (Skiroute) heraufzieht, ist es dann nur mehr ein Klacks, bis man oben steht. Während sich Gert oben hinsetzte und ausschnaufte führte MEIN erster Weg direkt zur Gipfelbuchkassette. Immer wieder las ich, GB von 1967, das muß ich endlich selber sehen und angreifen. Und es ist schon ein besonderes Gefühl, wenn man 44 Jahre Geschichte in Händen hält. Nach einer guten Zeit voller Schwärmerei für dieses Traumziel steigen wir wieder ab.

Diesmal gehen wir nicht den Grat zurück, sondern queren ab der Nordflanke in den Hang hinein, da, wo man vom Gipfel eine Art Terrasse erkennen kann. Diese schneidet einen guten Teil des Aufs- und Abs ab und mündet wieder in den Grat. Die letzten Meter bis zum Seildepot, dann kommt mir ein lauter Juchzer aus.

Dank Gerts Fachwissen sind wir bald für den Gletscherabstieg bereit und ich gehe wieder vor. Am Blankeis noch vorsichtig, im Firnbereich endlich etwas lockereres Abdriften.

Das Spaltengewirr unten ist immer noch beeindruckend, aber der Weg schon bekannt.

Am Umrüsteplatz werden Seil und Eisen in die Rucksäcke verpackt und der gar nicht anstrengende letzte Teil ins Tal beginnt. Nach der Steilstufe müssen wir wieder auf die andere Bachseite und hier kommt ein unerwartetes Problem. Der Bach führte frühmorgens wenig Wasser, queren unproblematisch. Jetzt am nachmittag, war da plötzlich ein vielfaches an stiebender Flüssigkeit, die sich ihren Weg ins Tal suchte. Rüberkommen mit trockenen Füssen fast unmöglich.

Gert löste mit einem Hazard-Sprung (Gottseidank nix passiert), ich tappte einmal tief ins kühle Naß, auch wurscht. Trotz schwerem Gepäck wanderten wir gut gelaunt zurück zur Ambergerhütte. Dort waren gleich ein paar neugierige „Lieblingsnachbarn“ zur Stelle, die wissen wollten, wo wir waren. „Gletscher oben“ lautete die Antwort. Wie man raufkommt? als nächste Frage „Z`Fuaß“. Jaja, wissen wir, aber wo denn genau. „Drüben….. durchau halt, miaßts lei schaugn“. Hähä, dieselben Fragen habe ich mir auch gestellt, als ich am 7.5. vom Schrankogel Richtung MSS schaute und wußte, da muß ich rauf, dringend und unbedingt (Foto unten). Und vom Schrankogel hat man natürlich die besten Aussicht da rüber. Die Frager haben erwähnt, daß sie uns mit dem Gucker „verfolgt“ haben und neugierig wurden….

Wir schauten uns um ein Platzerl auf der Terrasse um und plötzlich begrüßte mich einer, den ich bis gestern nur virtuell (dank Facebook)  und nun auch leibhaftig kenne. Der Tom mit seinen Kumpels bot uns gleich einen Platz an ihrem Tisch an und es folgte ein munterer Stammtisch beim wohlverdienten Bierchen. Nun gaben wir – im vermeintlich kleinen Kreis, doch unser Ziel bekannt, was zur Folge hatte, daß sich die „Neugiernasen“ (offensichtlich mit guten Ohren), gleich wieder mit allerlei Karten einfanden um den Weg erklärt zu kriegen. Aber auch wir fratschelten die Jungs aus, wo sie denn waren. „Leck-Ostgrat“ – wollten sie halt zumindest. Aber das Seil unten lassen ist dabei keine allzugute Idee. Und vom Ostgrat in die Süd-(Abstiegs)Wand hinauszuqueren, seilfrei, schon ein haariges Unterfangen. Cool gelöst – Gratulation zu so viel Mut. Nach einem Doppelkrampf in meinen Beinen brechen wir auf, eine Etage tiefer wartet noch eine zweite Terrassenjause auf uns mit Würstel und Heidelbeeromelette.

Danach geht`s knieschonend und leicht schwebend weiter auf den Bikes hinaus nach Gries, Höchstgeschwindigkeit wohlfeile 55 km/h. Während der Fahrt nach Innsbruck kommen wir aus dem Schwärmen nicht mehr heraus und ich träume noch lange weiter, von der MSS……

Giggi, 10.9.2011