Herbstrunde 2011

Herbstrunde 2011

Vorwort

Mannomann, wo soll ich anfangen? Im Jänner habe ich eine Woche Urlaub im – damals noch weit entfernten – Herbst eingetragen. Ich wollte ein Hüttentracking machen. So ala Stubaier Höhenweg ungefähr. Einen genauen Marschplan gab es schon Mitte des Jahres. Die Tourenvorbereitung und Recherche ist ja mindestens genauso wertvoll wie die Durchführung selbst und die Nachbearbeitung. Vorfreude……capiche? Vor wenigen Wochen noch stellte ich mich auf eine Regenparade ein, wie üblich eben bei uns. Deswegen besorgte ich mir unter anderem: einen wasserdichten 25 ltr Beutel, ebenso dichte Kameratasche und MP3 Player Beutel.

1 kaputte Kamera und 2 ruinierte MP3 Player sollten reichen. Und trockenes Gewand dabei haben ist ja auch nie schlecht. Fast verwundert und immer aufgeregter blickte ich dann auf die Wetterprognose. Ein stabiles Hoch legt sich über unser Land? Das kann doch nicht sein, oder? Wir (äh, ich) warten mal bis Donnerstag. Dann müßts halbwegs verlässlich sein. Am Abend redet der Wetterfrosch dann IMMER NOCH von stabil und Hochdruck und so. Der meints ehrlich. Oh wow. Das wird die Tour des Jahres. Ich brenne schon auf den Start. Eines der mir selbst auferlegten Tourgesetze ist ja, daß ich zu Fuß in Birgitz aufbrechen und zurückkehren muß. Je weiter hinein in die Stubaier Alpen, desto besser. Mein Ur-Plan sah vor, daß ich am Tag C auf der Ambergerhütte landen werde. Dazu kam es aber nicht……

1. Tag: Birgitz-Potsdamer Hütte

ich wurde ja gefragt, welche „Giebel“ ich bei meiner Runde mitnehme. Hmmmm, eigentlich ist es ja keine „Giebeltour“, sondern eine – weiß nicht – Stubaier Alpenquerung oder so was ähnliches. Fokus auf Gipfel habe ich bei der Planung überhaupt keine gelegt. Und nachdem ich ja nicht zu träumen gewagt habe, daß das Wetter derart mitspielt, war ich eher der Meinung, ich werde – vielleicht auch im Schneefall – hatschen und immer wieder schauen müssen, daß ich das nächste Quartier heil erreiche.

Los gehts am Samstag – vorher mußte (auch ich) noch schnell „Hausaufgaben“ machen, und ich trabe ab 11.00 Uhr nach Westen. Über die Felder gehts Nach Axams und weiter nach Pafnitz. Dort quere ich in den Wald und erreiche bald den Steig ins Senderstal. Jetzt machen sich Touren wie die am 12.3.2009 bezahlt, ich muß nichts mehr suchen und bin mir sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Malerische Motive säumen den Weg, es ist warm und der Duft des trocknenden Heus zieht noch weit ins Tal hinein.

Kein Streß, keine Eile, etwas Aufgeregtheit vielleicht. Hääh, 6 Tagestour? Naja, was soll schon schiefgehen. Zeit genug, auf der Kemater Alm werde ich mir erstmals ein Päuschen gönnen…… denkste, dort ist Trara vom Feinsten und die Terrasse rappelvoll. Nix für mich, weitergehen! Buaaah, es schlaucht sich dann doch ganz nett, aber, die erste Etappe soll mich noch nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Bis zu einer verfallenen Alm (ist mir bis jetzt auch noch nie aufgefallen) kämpfe ich mich fast weglos durchs Gelände, bis ich auf den Steig zum Kreuzjöchl treffe. Jetzt fängt auch das mit dem Schnee an. Der Hang wird steiler und es kommen mir eine Handvoll Leute entgegen, die wohl auch auf dem Schafleger waren. Und während ich so hinauftrotte, ganz in Gedanken versunken, nehme ich mir im Bezug auf „Giebel“ etwas vor.

Jeden Tag einen! Gibts doch nicht, daß ich in den Bergen bin und schöne Kreuze links liegenlasse. Wie und wo, wird sich noch zeigen. Am Jöchl oben sehe ich, daß es rüber bis zum Kreuz nicht mehr allzulange ist, aber doch noch ein Stück zum schnaufen. Trotzdem bin ich im Nu drüben und ein letztes mal will mich die Realität aus meinem Traum reißen. „Notfall-Franzi“ sucht mich. Alarm! Oh, jetzt reißt die Verbindung ab. Es kommt noch einmal „1 Stricherl“, ich schreibe flugs 3 SMS und muß dann das Handy ausschalten. Der Akku muß 6 Tage reichen, meine Sicherheit für die nächsten Tage muß vorgehen. Nochdazu, es ist Samstag, 16:00 Uhr, einmal muß auch genug sein….

Ich sitze noch ein Viertelstündchen in der Nachmittagssonne, niemand mehr unterwegs und beginne den Abstieg ins Fotschertal. Die letzten Meter hinauf zur Potsdamer Hütte sind sehr luftraubend…..

Ich kriege ein Bett bei den 3 sympatischen Deutschen, schlage mir die Wampe extrem voll und lese bereits die Hälfte (!!) des Buchs, daß für die ganzen 6 (es waren dann eh nur 5) Tage reichen sollte. Na Servus Kaiser…..

Tagesrapport:

1650 hm

20 km

6,5 Stunden unterwegs

2. Tag: Potsdamer Hütte-Pforzheimer Hütte

der Tag beginnt mit einem anständigen Frühstück. Der Wirt ist mittlerweile – vermutlich wenn er nicht so gestreßt ist – auch kein Loader. Gestern abend noch, saß ich mehr als 10 Minuten am Tisch und meine Zunge klebte am Gaumen. Als er mich nach dem dritten mal noch immer ignorierte und ich ihn dann fragte, ob ich den mein Geld bei ihm gegen ein Getränk tauschen kann, meinte er „brauchsch lei was sagen!“. Ja, eh klar, wie soll auch ein Wirt darauf kommen, seine Gäste ZU FRAGEN, ob sie was trinken wollen? Geat ja nitta…. Jedenfalls waren meine Zornkabel wieder im Hals versenkt 🙂

Und fast so nebenher wurde darüber geplaudert, wo ich hingehe. „I gea iats Westfalenhaus-Winnebachseehüttn, dann Amberger und weiter auf Dresdner oder Regensburgerhüttn“ sprudelte ich mein schon auswändig wissendes  Programm heraus. „die Regensburger hat zua“ quietschte ein Deutscher herein. „Zu? Na, gibts nit?!“ oder doch? Und dann kams faustdicke: Amberger-Dresdner Übergang: Zu, Dresdner-Regensburger Übergang: Zu, Regensburgerhütte selber: Zu.

Und jetzt, Batman?

Ganz kurz sah ich mein Projekt den Bach hinuntergehen.

Aber zumindest das nächste (Ersatz-)Ziel wollte ich mir gleich holen. Eigentlich gab es eh nur EINE gscheide Partie, und die packte ich  an, und zwar mit Mehrwert. Über den Roten Kogel ging ich zuerst mal nach Praxmar und weil ich den Aufstieg auf der Schiroute ja schon kenne, nahm ich die Variante über den Kastengrat – und – das bereute ich GAR GAR NICHT.

Eine wunderschöne Gratwanderei ohne jegliche Schwierigkeiten belohnte meine Aufstiegsmühen und wenn man den „Kastengrat“ als Gipfel dazuzählt, habe ich sogar einen von mir Unerstiegenen als Zusatzbonbon erreicht. Auf den Roten Kogel gelangte ich leicht. Als ich ins Tal schaute und sah, was mich noch einmal an Aufstieg erwartete, war mir nicht gerade sehr wohl im Magen. Sind es von Praxmar ungefähr 1150 hm bis zum Satteljoch, machte ich noch 100 mtr extra drauf, weil ich mich zu sehr auf den Schiweg zur Lampsenspitze orientiert hatte, anstatt darauf zu achten, auf dem markierten Steig zu bleiben.

Dies bescherte mir sicher auch noch etliche hundert Wegemeter ins Fleißaufgabenbörsel.

Als ich endlich am Joch war, konnte ich fast das Lampsenkreuzerl angreifen und war ganz kurz versucht, noch hinzugehen. Aber ich hatte  bereits exakt 2073 mtr Aufstieg intus und wußte, daß mir erstens noch ein 2 Stundenmarsch zur Hütte bevorsteht und zweitens, dieser Weg mit einem Gegenanstieg von noch einmal 100 hm endet. Also gagg drauf, Lampsen isch eh nix bsonderes, gemma gscheida Joch suachn. Nach 100 mtr Abstieg stand ich dann da, im Satteljoch. 16:30 Uhr. Sehr bewegend bei dieser Tour waren Momente wie dieser, wenn Du merkst, da oben bist Du ganz alleine. Da kommt niemand mehr. Und noch dazu, ich wußte nicht einmal mit 100%iger Sicherheit, ob die Pforzheimer Hütte offen hat.

Sollte die zu haben, haue ich mich in den Winterraum. Wenn der auch zu ist, gehe ich ins Tal und breche ab. Für alle möglichen Fälle hatte ich schon die Lösung. Und die Stirnlampe war ja sowieso Grundausrüstung.

Ich haue mich dann die steile Scharte hinab und es ist wie verhext, immer, wenn du die Hütte von Weitem siehst, kommt die umso weniger schnell näher. Isch ma wurscht, i koffer und koffer, wie in Trance. Immer wieder versuche ich Licht in der Hütte zu erkennen oder ein anderes Lebenszeichen. Ich male mir aus, was ich essen könnte und vielleicht habe ich auch schon ein bißchen hallunziniert. Irgendwann glaube ich, vor dem Haus Wäsche auf der Leine zu sehen und als ich ums letzte Eck hinaufhechle, bestätigt es sich, HÜTTE OFFEN.

Ich rein bei der Tür, außer Atem und kann nicht richtig klar denken: „ma geil, daß es offen habts, i brauch a Bett bitte, und was zum Essen“. Ja freilig, griagst alls. Ich teile mein Zimmer mit einem deutschen Paar und gönne mir den Extraluxus einer Duschmünze. Bis jetzt hatte ich es noch nicht geschafft, das (von mir natürlich großzügig errechnete) Budget von € 70 / Tag zu überschreiten.

Nach dem Hüttenfeinmachen warte ich – nicht mehr lange – aufs Abendessen. Immerhin bin ich erst gegen 17:30 Uhr eingetrudelt. Was jedoch bedeutet, daß ich die am Joch angegebene Zeit von 2 Stunden bis zur Hütte genau um 1 Stunde unterboten habe? Wie geht dass denn?

Ich lese wieder und lasse mir absichtlich 25 Seiten des 220 Seitenwerkes übrig, ich will ja bei der nächsten Station auch noch was haben….

Was habe ich heute geschafft?

2200 hm

20 km (schon wieder? – scheinbar ist 20 km eine gute Ziffer)

9 Stunden in Bewegung

3. Tag: Pforzheimer Hütte-Franz Senn Hütte

am Vorabend ziehe ich den Rat der Wirtin zu und bin aber gleich davon begeistert, meine Tour über die Zischgenscharte (die Schöntalspitze geht als „Tagesgieberl“ mit) Richtung Westfalenhaus fortzusetzen. Nur, was soll ich mittags an der nächsten Hütte? Gar nix, weiter bis ins Tal gehen, schlafen kannst Du auch in Lüsens. Die geben dir genausogerne ein Zimmer wie jeder andere. Aber dann um 13.00 Uhr in Lüsens abgammeln? Nö!! Variante? Weiter übers Horntaler Joch und gleich runter bis zur Franz Senn Hütte! Das wär`doch was gscheids? Hmmmm, dess Hornatler Joch ist auf 2812 mtr, da steht mir eine neuerliche 2000er Partie bevor? Gemma, dess probierma!

Ich starte am Morgen bei Bitterkälte, der bald auftauchende Schnee ist pickelhart gefroren, wie sonst vielleicht im April, eben so, wie nach einer klaren Nacht halt üblich.

Es gibt eine Spur, der ich folge und die das Gehen komod macht. Einsames marschieren, niemand kreuzt meine Wege. Der steile Aufschwung zur Zischgenscharte ist dank der Tritte wie auf Stufen zu gehen und es macht – ehrlich – Spaß.

Oben am Schartl sehe ich gleich die roten Markierungen, die den Weg Richtung Schöntalspitze weisen. Juhui, auffi muassi!

Ein bißchen durch die Felsen geturnt tauchen alsbald Seilversicherungen auf, die jeden Kopfweh ausschalten. Einmal rechts, einmal links, bisserl gehen und ich stehe am schönsten Kreuz der ganzen Tour. Immerhin auch ein 3000er (genau: 3002 mtr).

Runter gehts easy und in der Scharte treffe ich – und das sind meine einzigen bewußten „getroffen und geredet Wanderer“ – Vater und Tochter, irgendwo aus Bayern. „Servus“ und ich rausche schon die steile Scharte hinab Richtung Westfalenhaus. So ungefähr um 12.00 Uhr passiere ich die Hüttn und denke mir, „siggschess, da tätsch jetzt ummalungern und auf die Nacht warten“. Ich nehme den Winterweg (weil ich im Tal ein Stück vor Lüsens wieder hinauf muß, um etwas Weg abzukürzen) und weil ich sowieso ein Winterfan bin. Bei einer Quelle fasse ich gscheid Wasser  und bin gegen 14.00 Uhr mitten in der Steilwiese, die ich schnurstracks hinaufackere.

Ich mache das so, also ob ich Tourenschi anhabe. Und es hilft mir, dabei auch zu denken, es wäre Winter. Ich habe nicht mitgezählt, aber gut 50-60 „Spitzkehren“ waren es sicher. Als oben das Gelände etwas verflachte, verzagte ich kurz, weil ich den Weg nicht erkennen konnte, auf den ich unbedingt treffen muß. Und 10 Meter weiter stand ich da. Er ist wirklich schwer zu erkennen, aber ich habe ihn gefunden. Yeah! Nun gehts immer „der Farb nach“ und irgendwie erkenne ich, daß da schon lange keiner mehr drüber ist. Das bestätigt sich leider vorne weiter, wo der Schnee beginnt. Da und dort noch eine Spur, dann aber finito. Nix mehr. Irgendwie scheint oben noch was zu sein, aber das stellt sich später als Wildwechsel heraus.

Welcher Wanderer würde auch auf eine Scharte quer dazu gehen und nicht HINAUF? Jetzt konnte ichs mir nochmal überlegen, spuren oder abbrechen? Spuren natürlich – so schlimm wars ja nicht, nur, daß es sehr steil war und ich dann und wann bis zum Oberschenkel einsank und jedesmal natürlich Schnee in die Schuhe ausfaßte.

Aber naß waren die ohnehin schon. Auch dieses Gekoffere fand ein Ende und ich war echt glücklich, am Horntaler Joch angekommen zu sein. Schräg gegenüber beobachtete mich Familie Steinbock. Irgendwie rechneten die heute nicht mehr mit Besuch, hatte ich den Eindruck.

Der Rest der Tour war nun absehbar, hinabgelatsche zur Franz Senn Hütte. Meditatives Gehen, absolute Ruhe und Stille. Herrlich. An der Hütte angekommen deponierte ich sofort meine Schuhe in den entsprechenden Raum. Leer. Herrlich leer. Das gibt keinen Streß heute. 14 Gäste im Haus erfahre ich vom Personal. Von wo ich komme, wollte Chef und Seniorchefin wissen. „von der Pforzheimer“ war meine Antwort. „Von der Potsdamer?“ – „na, Pforzheimer“ – „oooohmeindaseal, da hasch an Hatsch hinter Dir“. Ja genau. Deshalb bekam ich auch 2 Teller Tomatensuppe, die ich mir gnadenlos mit Brot einverleibte. Vom Schnitzel danach ließ ich auch nix übrig und das kleine Wuchterl mit Vanillesauce konnte zwar mit der vom Kofel nicht mithalten, tat aber ihr übriges, daß ich angenehm satt wurde.

Ich kramte das Buch hervor, wo ich mir ja noch 20 Seiten aufgespart hatte. Und meine Tischnachbarn wunderten sich, warum ich permanent lachte. Aber was kann ich dafür, wenn die „Charlotte Roche“ den Begriff „muschal“ verwendet. Ja, muschal, wie nasal oder oral. Ach wie herrlich, wann hast du denn schon wieder mal Zeit, ein Buch zu lesen……

Um 21.00 Uhr habe ich mich aufs Zimmer zur Nachtruhe begeben, todmüde war ich ja, nach:

1900 hm Aufstieg

19,5 km

9:45 min in Bewegung

4. Tag: Franz Senn Hütte-Starkenburger Hütte

der Tag beginnt mit einem Blick aus dem Fenster, ich hole nur schnell die Bestätigung ein, daß es auch wirklich schön ist. Mit Grausen erinnere ich mich an die Tour vom 17.9.2011, wo beste Verhältnisse prognostiziert waren und es am Morgen wie aus Kübeln regnete. Die heutige Etappe soll „nur“ auf die Starkenburgerhütte führen. Dort war ich noch nie und dort werde ich heute schlafen, obgleich nicht weit weg von daheim. Und da gibts noch den Hohen Burgstall, da war ich auch noch nie oben, der wird mitgeschlenzt. Die Gehzeit von Hütte zu Hütte ist mit 5,5 Stunden veranschlagt, was mir wieder zu denken gibt. Breche ich um 08.30 Uhr auf, bin ich kurz nach Mittag drüben. Und dann? Wirds langweilig. Also, es muß etwas her, was das Ganze ein bißchen in die Länge zieht. Den Burgstall noch am gleichen Tag mitnehmen? Nein, viel besser, den aufheben für den nächsten Tag und stattdessen über Wildkopfscharte – Hohe Schöne – Schwarzhorn – Marchsäule gehen. Erstens wieder eine schöne Gratwanderei, zweitens den (heute die) auferlegten Gipfel mitnehmen.

Genauso mache ich es. Ich starte durch und der immer wieder beindruckende Wegabschnitt gleich am Anfang verleiht mir Flügel.

Ganz schnell bin ich in der Sonne unterwegs und kann schon kurzämlig marschieren. Abwechslungsreich geht es in leichtem Auf und Ab dahin, Höhenwegluft wird geschnuppert.

Die erste Station heute ist die Hochseduckalm, auf 2.249 mtr. Leider, niemand da. Ich genieße ein kurzes Päuschen und stampfe weiter Richtung Wildkopfscharte, der dazugehörige Gipfel wird gerne von den Gästen der Potsdamer Hütte besucht. Wir waren schon im Winter oben, fein, daß das als Tagestour möglich ist. Im Nu bin ich dort und es fängt die kurzweilige Gratpartie an. Was ich nicht erwartete, daß es sich derart in die Länge zieht.

Aber Zeit war genug vorhanden, ja ein verschwenderischer Umgang mit ihr nahezu erwünscht. Ein Problem, das sich auftat, war die Wasserversorgung. Hatte ich bei den letzten Bächen, die vor der Hochseduckalm passiert wurden, doch hochnässig wie ich bin, immer wieder gedacht, „beim nächsten“ „beim nächsten“ und so weiter, bis kein Wasser mehr kam. Nun stand ich ganz oben am Grat und dachte über physikalische Gesetze nach. Nämlich, daß Wasser aufgrund der Schwerkraft ja nach unten fließt und ich am Grat oben sicher keinen Bach finden werde. Oh shit, bin ich dumm. Nun stehe ich hier, nordseitig Schnee, südseitig alles aper und versuche mich an die vielen Survival Serien (auf D-Max, dem Kanal für Männer) zu erinnern. Sicher fällt mir bald ein, wie das der Marine oder der Hippie erledigt hätten. Ich setze mich hin und versuche, einen Schneeball zu formen und so lange in der Hand zu halten, bis Wasser daraus rinnt. Kannst du vergessen, geht nicht. Viel zu kalt. Also nehme ich Schnee und fülle ihn in meine Wasserflasche, gieße lauwarmen Marschtee drauf und fülle hin und her, mal wieder Schnee dazugebend, bis ich den letzten 3/4 Liter zu 1,25 ltr machte, nun halt eiskalt und mit Schnee drin schwimmend. Der wird schon schmelzen. Und sparen werde ich auch. Immer nur kleine Schlucke trinke ich.

Der Aufstieg zur hohen Schöne (2675 mtr) erfolgt über riesengroßes Blockwerk und war kurzweilig wie nie. Am Ziel ist nur ein halbes Gipfelkreuz, nämlich ein senkrecht aufragender Pfosten.

Weiter spaziere ich gemütlich am Grat, immer, wenn Schnee kam, wich ich auf die Südseite aus und dachte mir, dieses Vorgehen ziehe ich durch bis zum Schwarzhorn. Geht aber nicht. Weil bald kam ein Wegteil von etwa 200 mtr Länge, der nordseitig gegangen werden MUSSTE, nixda auf die Warmduscherseite rüberlinken. Ich holte mir also auch heute wieder nasse Füße und brachte es hinter mich. (nachfolgend der Rückblick auf diese Passage vom Gipfel des Schwarzhorn aus betrachtet)

Der letzte Aufschwung zum Schwarzhorn war „schwarzer Bergweg“ und ich freute mich, auf dem schönen Giebel einzutrudeln. Er ist ja immerhin 2.812 mtr hoch. Der Weiterweg führte direkt über den Bergrücken bis zur Marchsäule, ich nenne es „Bonuskreuzerl“ – auf 2.598 mtr.

Unten am Sendersjöchl kommt das unvermeidliche, und immer wieder selbe Schild: „Starkenburgerhütte 2 h“. Ich glaube, von jedem „Letzjoch“ zur Zielhütte sind es in den ganzen Stubaier Alpen immer 2 h. Am Weg zum Seejöchl begegnen mir viele Murmeltiere, die sich gar nicht stören ließen.

Unterhalb der Schlicker Seespitze gehts dann recht anregend Richtung Hoher Burgstall, dessen Abzweig ich ignoriere und nach mehreren Kurven kommt endlich die Starkenburgerhütte in Sicht. Dort schlage ich um 15:30 Uhr auf und checke ein. Keine Dusche, dafür aber wenigstens warmes Wasser. Die Wirtin gibt mir ein Zimmer und ihr Mann macht mir eine Monster-Hüttenplatte. Das was drauf war, habe ich mit Haut und Haaren verdrückt. Nichtmal mehr das Salatblatt, wo der Kren drauf war, blieb übrig.

Ich genoß die Nachmittagssonne auf der Terrasse und wunderte mich, daß nur noch 2 (!!) Gäste kamen, mehr war nicht. Die schliefen im Lager. Nach dem Abendessen bemühte ich mich, nicht allzuschnell raufzugehen, um 20.00 Uhr kann nichtmal ich einschlafen. Um zehne knippse ich endlich das Licht aus und freue mich auf den morgigen  vorhergesagten Schönwettertag, an dems zuerst auf den Hohen Burgstall soll und später dann über die Schlicker Alm und das Halsl endlich wieder nach Hause.

Gewesen sind`s:

1150 mtr Aufstieg

17,3 km

7,5 Stunden in Bewegung

5. Tag: Starkenburger Hütte-Birgitz

Daß war ein guter Morgen, was ich als erstes sah, als ich aus dem Fenster blickte, war ein wolkenloser Himmel und Hochnebel bis auf eine Höhe von etwa 1500 mtr.

Der hat mich (auf 2237 mtr) überhaupt nicht gestört. Das minimalistische Frühstück mit Butterbrot und Marmelade drauf und eine große Tasse Kaffee war wunderbar und schon um 07:50 Uhr lichtete ich den HABICHT ab, verabschiedete mich vorher artig von den Wirtsleuten und marschierte gemütlich Richtung Hoher Burgstall.

1 Stunde darfs dauern laut Schild. Ich war um 08:30 Uhr oben und konnte wirklich eine tolle Aussicht genießen. Und das zu einer Tageszeit, wo sonst eher niemand da sein wird. Ein wirkliches Exclusiv-Erlebnis. Das ganze Inntal war mit Watte gefüllt.

Nach einer kleinen Gipfelrast ging ich zurück zur Scharte und bin dann eine seilversicherte Rinne runter (so ein Drahtseil zieht mich magnetisch an….). Der weitere Weg sollte mich eigentlich nur nach unten – Richtung Schlicker Alm führen. Ich nahm den nächsten Pfad und ging diesem entlang. Der steilte aber plötzlich auf und ein paar Serpentinen waren zu sehen.

Naja, ein paar Fleißmeter werden jetzt auch noch drin sein und so mühte ich mich dort hinauf. Dahinter sah ich, wolang ich ging: nämlich zum Schlicker Schartl, wo ich dann auch gleich stand. Wieder ein Belohnungsort, wer weiß, wann ich hier das nächste mal hergekommen wäre. Ich staune über eine riesige Gemsenherde und kann später beobachten, wie eine Gams 100 hm in 7 Sekunden regelrecht herunterjettet.

Der Pfad führt mich Richtung Schipiste und in Gedanken male ich mir aus, wie es wohl zuging, als diese riesigen Felsbrocken den Graben entlang kollerten und vorne, wo der Graben einem Flaschenhals ähnelt, zum erliegen kamen. Ja, mit Phantasie wirst Du auch beim vermeintlich langweiligen Wandern etwas spannendes erleben können.

Bald wird die Schlicker-Alm kommen und diesmal werde ich meine Wasservorräte gnadenlos auffüllen, bis zum Rand. Lieber zuviel zum saufen dabei, als noch EINMAL Durst haben. Das ist fix.

Als ich dort eintreffe werden zuerst die Behältnisse gefüllt und dann sehe ich dieses wunderbare Kneipbecken. So schnell hasch gar nit gschaugg, habi meine Bergpragger ausgezogen und bin da durch.

Der erste Meter war superfein, der zweite frisch, beim dritten hats gezogen und beim vierten weh getan. Aber wenn man wieder draußen ist, geht das Frischegefühl LANGE nicht mehr weg. Das blieb sicher noch 1,5 Stunden. Ehrlich. Und ein erfahrener Wanderer den ich gleich darauf traf, hat gesagt: „heit hasch sicher koane kalten Fiaß mehr“ – er hatte recht!

Gleich nach der Alm zweigt der „Gloatsteig“ ab, Richtung Pfarrach Alm. Ein wunderschönes Teil, wann werde ich hier noch einmal gehen? Leicht und beschwingt auf und ab, nie viel Höhe verlierend gehts dahin.

Nach einer guten Weile kommt ein schöner Aussichtspunkt, „am gugeligen Kopf“. Hin muassi, schaugn!

Irgendwann kommt dann doch der Abzweig Richtung Halsl, mir ist es langsam recht, wenns zu Ende geht. Am Halsl ists aber auch noch nicht um, es folgen weitere 150 mtr steiler Aufstieg, ehe der Weg eben weiterführt zum Birgitzköpflhaus. Dort lasse ich es mir nicht nehmen und hau`mich in die Sonne und schlürfe Cola. Nicht lange, dann packt mich der finale Ehrgeiz und los gehts Richtung Birgitzer Alm. Von dort über die Wiesen hinunter zum Hüttenboden und gerade weiter die Schneiße entlang. Dann nehme ich die alte Birgitzer Schiabfahrt, die ich im Winter immer mit den Tourenski hinaufgehe. Hach, entdecke ich doch glatt eine vermutlich uralte Markierung auf einem Stein.

Weitere Hinweise, daß hier früher einmal ein „offizieller Steig“ raufging, konnte ich nicht finden. Jedenfalls habe ich durch den steilen Abschneider enorm viel Weg gespart und schaffte es, ohne Eile, vom Birgitzköpflhaus bis nach Hause in exakt 1:25 min.

Runde beendet, die heutigen Daten:

1175 mtr Aufstieg

21 km

7 Stunden unterwegs

was in Summe – ergibt

Aufstieg total: 8075 mtr

km total: 97,3

Zeit total: 39:45